Fachkräftemangel, Digitalisierung, Frauenquote. Habt ihr euch schonmal gefragt wie eigentlich der Arbeitsmarkt der Zukunft aussehen wird? Schon heute klagen mittelständische Unternehmen über mangelnde Bewerbungen von Fachkräften und Auszubildenden. Jobs in bestimmten Branchen wie IT oder Buchhaltung bleiben langfristig unbesetzt. Handwerksbetriebe finden keinen Nachwuchs. Wir haben in Deutschland mehr Akademiker als je zuvor und damit auch Studenten, die dem Arbeitsmarkt nach dem Schulabschluss über mehrere Jahre nicht zur Verfügung stehen. Große Logistik-Konzerne, die einen hohen Bedarf an jungen, kräftigen Mitarbeitern zum Beispiel zur Lagerhaltung haben, fahren seit Jahren zum Recruiting riesige Marketing-Kampagnen - mehr oder weniger erfolgreich.
Die Situation wird sich noch weiter verschärfen. Die Trendprognosen für das neue Jahrzehnt bis 2030 sagen voraus - Deutschland wird immer älter. Während die Zahl der Erwerbstätigen weiter um ca. 3.8 Millionen sinken wird, geht die Generation Babyboomer (das sind die geburtenstarken Jahrgänge der Nachkriegsjahre) in Rente. Das bedeutet die Zahl der Rentner wird etwa um drei Millionen steigen. 2030 wird jeder Vierte über 67 Jahre alt sein und das Land muss 30 Milliarden Euro zusätzlich für Rente, Pflege und Krankenversicherung aufbringen.*
Gleichzeitig befinden wir uns in einem globalen Wettstreit um die Technologieführerschaft, in der die USA und China die Schrittmacher sind und Europa Gefahr läuft abgehängt zu werden. Die Arbeits(- und auch Lebens-)welt wird immer mehr von digitalen Informationen und Abläufen geprägt. Herkömmliche Berufsbilder wandeln sich und neue Berufsbilder entstehen. (Mittel-)Deutschland kann es sich langfristig nicht leisten die Förderung und Nutzung von weiblichen Talenten zu vernachlässigen. Im Gegenteil - die deutsche Wirtschaft muss zukünftig deutlich stärker als bislang Frauen für die neuen Anforderungen im Markt interessieren, begeistern und qualifizieren. Für Arbeitgeber würde das nämlich nicht nur größere Diversität im Team, sondern auch ein Zufluss an dringend benötigten Arbeitskräften bedeuten.
Ein Beispiel für die nicht aufzuhaltende Digitalisierung aus dem Arbeitsalltag einer Agenturchefin ist die Beauftragung von Übersetzern. In der Agenturszene wird häufig mit freiberuflichen Übersetzern gearbeitet, die bei der Herstellung von Corporate Publishing-Produkten unterstützen. Das kann zum Beispiel ein Mitarbeitermagazin für ein international tätiges Unternehmen sein, welches in deutscher und englischer Sprache hergestellt wird. Seit einigen Jahren drängen nun Softwareprogramme auf den Markt, die die Übersetzung der Texte deutlich kosten- und zeiteffizienter übernehmen. Wenn man bedenkt, das die Produktion eines Heftes je nach Art und Umfang schnell mal ein Budget von 20.000 Euro und mindestens sechs Wochen Produktionszeit verlangt, kann man vielleicht nachvollziehen warum sich Unternehmen zunehmend für den Einsatz von Technik auch bei Übersetzungen entscheiden. Insbesondere weil sich diese Programme rasant entwickeln und immer besser werden. Das heißt aber nicht, dass Übersetzer zukünftig arbeitslos werden - vorausgesetzt sie wandeln ihre Arbeitsperspektive. Es werden immer Menschen benötigt, die den Text ins Programm eingeben, den Computer bedienen und das Ergebnis kontrollieren.
Diese Entwicklung bietet uns Frauen große Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wir können uns nämlich in bislang unterbesetzten Kompetenzfeldern positionieren. Dank neuer Technologien eröffnen sich darüber hinaus auch Möglichkeiten für mehr zeitliche und räumliche Autonomie bei der Arbeit. Das zahlt ein, auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ich habe nie flexibler gearbeitet als heute - egal ob aus dem Homeoffice oder vom anderen Ende der Stadt, mit W-Lan und VPN-Zugang kann ich die Welt regieren. Naja, jedenfalls meine. Bei meinem letztem Arbeitgeber hatten wir nicht nur mobile Büros, sondern auch keine Festnetztelefone mehr.
Was können wir nun selbst tun, um uns für die neuen Anforderungen im Arbeitsmarkt zu qualifizieren?
Ein strategischer Blick in die Zukunft, welche Kompetenzfelder in den nächsten Jahren branchenübergreifend wichtig werden, ist hilfreich. Welche Schlüsselqualifikationen in Zukunft von Bedeutung sein werden, zeigt unter anderem diese Studie von McKinsey und dem Stifterverband. Frauen sollten sich mehr als bislang trauen, auch komplizierte technologische Themenbereiche zu besetzen: Roboter bauen, Animationsfilme drehen oder Spiele programmieren ist keinem Geschlecht vorbehalten. Digitale Bildung eröffnet allen Menschen berufliche Chancen in einer Welt, in der Informatik-Kenntnisse, Anwendungs-Know-how und Medienkompetenz über die Karriere entscheiden können.
Im Zuge der Digitalisierung werden aber nicht nur technologische, sondern auch soziale Kompetenzen wichtiger, insbesondere diejenigen, die uns nachhaltig von Maschinen unterscheiden zum Beispiel Empathie, Kreativität, Kommunikationsstärke etc. Eigenschaften, die besonders oft Frauen zugeschrieben werden. Wer dazu noch ein Grundverständnis für IT und Technologie mitbringt, ist ein wertvoller Gewinn für jedes Unternehmen. Die Digitalisierung bietet also auch großes Potential für Frauen, die ihre Stärken nicht in tiefgreifenden IT-Themen sehen. Der Bedarf ist hoch auch an nicht-digitalen Schlüsselkompetenzen, wie digitale Interaktion, Adaptionsfähigkeit, unternehmerisches Denken etc. Die Wirtschaft wird zum Beispiel so genannte Technik-Übersetzer benötigen, die in der Lage sind zwischen Technolgie-Experten und Laien zu vermitteln.
Die wichtigste Kompetenz im digitalen Zeitalter - also heute! - ist allerdings die Fähigkeit sich kontinuierlich weiter zu entwickeln. Stillstand bedeutet Rückschritt für jeden Einzelnen von uns. Daher sollten wir uns bewusst Freiräume im Tagesablauf schaffen, um Neues zu lernen. Wer sich dazu noch on- wie offline in einem weit verzweigten Netzwerk bewegt, hat die Möglichkeit sich als Expertin in relevanten Kompetenzfeldern zu positionieren. Stichwort Personal Branding oder Markenbotschafter für Unternehmen. Nur wenn wir Frauen uns zukünftig deutlich stärker als bislang mit unserer Qualifikation und Motivation wirkungsvoll einbringen und die Arbeitgeber auch die entsprechenden Voraussetzungen dafür schaffen, definieren wir unsere gemeinsame Zukunft neu.
*Quelle und weiterführende Lektüre:
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